Aufbruch

~ 2024-09-12

Viereinhalb Jahre ist es her, dass ich in Frankfurt aus dem Flugzeug stieg und wieder deutschen Boden unter den Füssen hatten. Mit FFP2 Maske und Sandalen lief ich in der kalten Empfangshalle auf Papa zu, der einmal quer durch das Land fuhr, um mich in Zeiten der Unsicherheit und eingeschränktem ÖPNV nach fast zwei Jahren erstmals wieder in die Arme zu schliessen. Durch den -für mich- plötzlichen Beginn der Pandemie musste ich meine Yogalehrerausbildung, die ich zu dem Zeitpunkt auf einer kleinen Insel in Thailand absolvierte, abbrechen und flog mit einem der letzten Flieger zurück nachhause. Ich blickte auf ein Jahr Work and Travel in Kanada und anschließenden neun Monate Backpacken durch Südostasien zurück, in denen ich die Welt zu meinem Zuhause machte. Zurück in der Heimat musste ich erstmal in Quarantäne und hatte genug Zeit mir zu überlegen, wie es nun weitergeht. Der Wunsch, Physiotherapie zu studieren, kam während der Reise immer mal wieder auf und so bewarb ich mich bei mehreren Hochschulen in Deutschland, von Lübeck bis Rosenheim und alles dazwischen. Die Zusage für die Hochschule Heidelberg bekam ich im Mai 2020 nach Feierabend im Biomarkt, in dem ich zwischenzeitlich begonnen hatte zu arbeiten. In Heidelberg war ich vorher noch nie, aber eine kurze Internet Recherche ließ Vorfreude in mir aufkommen. Ich hatte genau ein Online WG-Casting und zum Glück bekam ich auch dort eine Zusage, sodass ich ein paar Monate später in die „Eppelvilla“ einzog, wie meine fünf Mitbewohner das alte Haus mit wildem Garten liebevoll nannten, ein. Dass ausgerechnet Matthias als einziger Mitbewohner bei meinem Einzug zuhause war und beim Ausräumen half (wobei entweder Papa oder er meinen Spiegel versehentlich zerbrach) und ich jetzt viereinhalb Jahre später mit ihm an meiner Seite in das einjährige Abenteuer Neuseeland aufbreche, hätte ich mir damals wohl nur schwer vorstellen können…

Das Physiotherapie Studium lief trotz der Corona-Einschränkungen weitestgehend glatt ab und auch Langeweile kam während der Lockdowns in der 6er WG nur selten auf. Mit jedem Tag, den ich in der Eppelvilla verbrachte, fühlte ich mich mehr zuhause und formte die Gemeinschaft um mich herum, nach der ich mich auf Reisen manchmal gesehnt hatte. Matthias und ich kamen im Dezember 2022 zusammen, und da wir als Mitbewohner schon das Zuhause teilten, änderte sich gar nicht so viel. Es wurde nur noch besser. Wir teilen die Liebe zur Natur und dem Draußen sein, schätzen die Freiheit unseres selbstbestimmten Lebens und ergreifen die Chance für Abenteuer. Matthias ist bereits für ein paar Monate in Neuseeland gewesen, und so war es für mich keine schwierige Aufgabe, ihm von meinem Plan und dem Wunsch nach Aufbruch zu erzählen. Wie viele, die schon dort waren, hatte auch er von dem Land geschwärmt und ich ahnte, dass es keiner Überzeugungskunst bedarf, wenn ich ihm einen einjährigen Aufenthalt in Neuseeland vorschlage. Auf einer Wanderung im schönen Lugano wurden unsere Pläne konkreter und wir entschieden uns, ein „Work and Travel“ Visum zu beantragen. Da das einjährige Visum inklusive Arbeitserlaubnis nur für Menschen bis 30 Jahre beantragbar ist und Matthias sich mit großen Schritten auf die 30 zubewegte, brauchte es allerdings einiges an genauer Planung. Zwei Wochen vor seinem Geburtstag füllten wir also die Onlinebewerbungen aus und bekamen ein paar Tage später die Zusage- ab dem Zeitpunkt hatten wir ein Jahr Zeit, um in Neuseeland einzureisen. Da für mich noch die Bachelorarbeit und das Staatsexamen anstand rückten weitere Vorbereitungen erstmal in den Hintergrund und ich konzentrierte mich auf den Abschluss des Studiums. Den erreichte ich im März dieses Jahres und fing auch direkt in einer kleinen physiotherapeutischen Praxis an zu arbeiten- einerseits, um Arbeitserfahrung zu sammeln und andererseits, um Geld für die Reise zu verdienen. Nebenbei unterrichtete ich einmal wöchentlich Yoga und konnte als studentische Hilfskraft weiterhin für die Hochschule arbeiten. Bei so einem „Vollzeit Job“ blieb nicht viel Zeit für den Sommer und auch Matthias erhöhte die Stundenanzahl in seinem Job, um die Reisekasse aufzubessern. Allerdings wird er weiterhin eine Woche im Monat bei seinem jetzigen Arbeitgeber in der Geo-Informatik arbeiten, sodass ein kleines Einkommen gesichert ist. Der Mix aus Physiotherapie, Yoga und Projektarbeit hat mir gut gefallen und ich bin schnell in eine Routine gekommen. Nach Neuseeland möchte ich mich mehr auf die Fachrichtung Neurologie spezialisieren, kann aber sagen, dass ich mit der Berufswahl bisher super glücklich bin.

Trotz der langen Arbeitswoche unternahmen Matthias und ich mehrere Trips an den Wochenenden und testeten zuletzt in den italienischen Alpen unser Outdoor-Equipment, welches wir in den letzten Monaten verbessert und optimiert haben. Unser Plan in Neuseeland ist es zwar, einen ausgebauten Camper zu kaufen und dort drin zu wohnen und zu reisen, aber wir möchten auch möglichst viele Orte zu Fuß erkunden und das Land so häufig es geht durch Wanderungen kennenlernen. Ankommen werden wir in Neuseeland erstmal bei meiner besten Freundin Liz und ihrem Partner Tom. Liz kenne ich seit dem Kindergarten und sie ging 2019 mit einem Work and Travel Visum nach Neuseeland. Als sie ein paar Monate später vor der Entscheidung stand, wegen Corona das Land zu verlassen oder zu bleiben, entschied sie sich für das Bleiben. Mittlerweile hat sie die Residency und studiert Krankenpflege in Christchurch. Gemeinsam mit ihrem Partner Tom wohnt sie in Darfield, in der Nähe von Christchurch auf der Südinsel, welches somit unser erstes Ziel ist. Und mehr geplant haben wir erstmal nicht. Ankommen, Auspacken, Akklimatisieren (in Neuseeland geht es jetzt gerade vom Winter in den Frühling mit entsprechenden Temperaturen) und erstmal durchatmen. Die letzten Wochen waren aufregend, anstrengend und emotional. Matthias und ich haben unsere WG Zimmer in der Eppelvilla aufgegeben und unser Hab und Gut bei Matthias Mama untergestellt. Der Auszug fiel mir nicht leicht, die Menschen an diesem Ort sind mir in den letzten Jahren so ans Herz gewachsen, dass es sich wirklich wie Zuhause anfühlt. Auch unser Freundeskreis in Heidelberg hat sich sehr gefestigt, was den Abschied nicht leichter machte. Bei unserer Abschiedsparty im Garten bedankten wir uns bei der WG für die schöne Zeit in Eppelheim. Matthias und ich wissen, dass wir nächsten Herbst nach Heidelberg zurückkommen wollen, aber nicht in die Eppelvilla. Wir vermissen die Nähe zum Wald und sehen Neuseeland als Chance, uns von Orten und vor allem Menschen und ihren Lebensweisen inspirieren zu lassen.

Dieser Blog ist für uns eine Möglichkeit, das Erlebte mit euch zu teilen und die Reise zu reflektieren. Ich lese ab und zu immer noch gerne meinen alten Reiseblog und lasse die Erinnerungen Revue passieren, was mich motiviert hat, das Schreiben wieder anzufangen. Dank Matthias können wir diesen Blog auf einer eigenen Website veröffentlichen, welche sich nach unseren Bedürfnissen verändern kann.

Wir schreiben die letzten Worte gerade, während wir in Singapur am Flughafen auf unseren Weiterflug nach Christchurch warten. 12 Flugstunden geschafft, weitere 10 kommen auf uns zu. Die Welt scheint so gross, und gleichzeitig falle ich in ein paar Augenblicken meiner besten Freundin in die Arme, die ich schon so lange nicht mehr gesehen habe. Schön, dass du hier bist und unser Abenteuer so begleitest. Matthias und Maike

Lugano - Hier entschieden wir uns, nach Neuseeland zu gehen
Liz und Tom - Nach 5 Jahren sehen Liz und ich uns wieder in Deutschland
Geschafft - Wir sind Physiotherapeuten
Piemont 1 - Generalprobe fürs Equiment
Piemont 2 - Ein schöner Ort mit tollen Menschen
Schwarzwald - gemeinsam Zeit verbringen und genießen
Abschied 1 - Letzter Arbeitstag bei meiner ersten Physio-Stelle
Abschied 2 - Minigolfen mit unserer WG
Abschied 3 - Unser Hab und Gut gestapelt eingelagert
Abschied 4 - Auszug aus der Eppelvilla
Abschied 5 - Tag des Abfluges mit Maikes Familie
Flug - Von Frankfurt nach Singapur