Mütze auf, Mütze ab, Sonnenhut für Mütze eintauschen, eincremen, Regenjacke drüberziehen, Schwitzen und wieder ausziehen - der ganz normale Ablauf in der ersten Stunde unserer Wanderungen - eigentlich egal wohin. Und dann dieser Wind, der selbst das Surfboard unter dem Auto wegfegt, sodass es von nun an nachts immer mit in den Van - und somit auch ins Bett - genommen werden muss. Einmal gab es so heftige Sturmböen, dass wir unsere Fahrt unterbrechen und den nächstgelegenen Campingplatz aufsuchen mussten. Ein Glück, dass wir unsere Reise nur von einen Tag auf den nächsten planen und uns somit flexibel an Wetterbedingungen anpassen können- bis auf den Kajak Trip im Milford Sound, wo wir letztendlich im strömenden Regen 3,5h auf dem Wasser paddelten - aber wo kein Regen, da auch keine Wasserfälle.
Gerade sitzen wir an einem wunderschönen Fluss in Wānaka und lassen unsere letzten vier Wochen Revue passieren. Wir verließen Christchurch Mitte November mit dem Ziel, den mittleren und südlichen Teil der Südinsel zu erkunden. Die Südinsel ist (laut Wikipedia) fast halb so groß wie Deutschland, hat aber nur so viele Menschen wie Köln (gute 1 Million). Der Grund für die dünne Besiedlung im Vergleich zur kleineren Nordinsel ist vor allem die Bergkette, welches die regenreiche Westcoast vom Rest der Insel trennt. Nur ein paar Pässe verbinden den Osten und den Westen, und während Matthias und ich hier sitzen und auf die zurückgelegten Kilometer schauen, haben wir uns entschieden, nicht noch über die Westcoast zurück nach Christchurch zu fahren, sondern auf dem direktesten Weg durch das Inland. Zwar haben wir noch eine Woche Zeit bis Weihnachten, aber die ereignisreichen letzten Wochen machen sich bemerkbar. Nicht nur wir, sondern auch unser Campervan Herbie brauchen nochmal ein paar Tage Pause und Pflege, bis es nach Weihnachten mit unseren Freunden Tobi und Selma weitergeht.
Insgesamt haben wir uns gut an das Leben auf so engem Raum gewöhnt (mit dem Surfboard ist es noch enger), auch wenn wir ständig am Suchen, Putzen und Wegräumen von Dingen sind. Wehe, die Kopfhörer kommen nicht an den designierten Ort zurück oder der Hut hängt nicht am richtigen Haken! Ordnung hat hier wirklich nochmal einen anderen Stellenwert erreicht. Klassiker, die ich immer suche: meinen Schlüssel, Sonnenbrille und Ladekabel. Matthias sucht dauernd seine Kopfhörer oder seine (zweite) Mütze. Verlorengegangen ist bisher aber nie was. Auch das Fahren im Linksverkehr ist mittlerweile normal geworden und Herbie kämpft sich tapfer die Berge hoch. Da es hier nur selten mehrspurige Straßen zum Überholen gibt, unsere Lieblingsgeschwindigkeit aber bei 80km/h statt 100km/h liegt (nur so schnell fahren, wie das Auto keine Geräusche von sich gibt...), ist es hier üblich, bei Gelegenheit an die Seite zu fahren und die Autoschlange hinter einem durchzulassen. Häufig wird sich dann mit einem Hupen oder kurzem Warnlicht bei einem bedankt – die Kiwis sind natürlich an die alten, langsamen Camper gewöhnt. Wir haben bisher hauptsächlich positive Erfahrungen mit den Locals gemacht. Auf einem Freedomcamp (Campingplatz für alle, die selfcontained sind, siehe letzter Blogeintrag) in der kleine Gemeinde Lumsden kam neulich sogar die Feuerwehr vorbei und hat weihnachtliche Schokolade an uns Touristen verteilt.
Die steigenden Temperaturen und das langanhaltende Tageslicht versetzen uns nur wenig in Weihnachtsstimmung, aber immerhin haben wir einen kleinen Tee Adventskalender im Supermarkt gefunden. Wenn beim Einkaufen dann Weihnachtslieder gespielt werden und die festliche Dekoration zwischen dem Sommerobst liegt, kommt es einem kurz etwas verkehrt vor. Die Kassierer sind übrigens meistens sehr daran interessiert, wie uns das Land gefällt und ob wir eine gute Zeit haben -während ein zweiter Mitarbeiter unseren Einkauf in die Taschen einsortiert. Anfangs habe ich noch versucht, das selber zu übernehmen (schließlich sind wir Aldi-Kassen gewöhnt und auf Hochgeschwindigkeit beim Einräumen trainiert), aber das verwirrt die freundlichen Kassierer hier und die Situation wird "akward". Stattdessen ist also Zeit, sich auf das Gespräch einzulassen. Wir wurden anfangs gewarnt, dass Einkaufen in Neuseeland deutlich teurer sein soll, als in Deutschland. Dies können wir nur bedingt bestätigen- während Matthias spezieller Diät aufgrund seiner Verdauungsbeschwerden waren die Einkäufe schon teurer (wir kauften aber auch 20 Paprika, kiloweise Nüsse und lokalen Lachs, alle paar Tage), aber durch die eh schon hohen Preise in Deutschland hatten wir schlimmeres erwartet. Unser Go-To hier sind übrigens Kiwis und Avocados, beides wird direkt in Neuseeland angebaut und ich habe selten so schnell eine Zuneigung zu einem Obst entwickelt, wie jetzt zur Kiwi! Den Biomüll trennen wir im Van zwar noch, müssen es dann schweren Herzens aber immer mit dem restlichen Haushaltsmüll gemeinsam entsorgen. Eine Sache, die wir leider nicht nachvollziehen können. Lediglich Dosen, Glass und manchmal Plastik kann man recyceln. Was die Neuseeländer dafür aber richtig drauf haben ist der Zugang zu Trinkwasser! Sowohl in Cafés und Restaurants kriegt man immer und soviel man will Wasser bereitgestellt und auch Trinkwasserbrunnen sind gut auffindbar. Meistens bei den öffentlichen Toiletten, und die gibt es wirklich an jeder Straßenecke und auch auf den allermeisten Wanderrouten (teilweise sogar auf dem Gipfel)! Wie wir mithilfe der App OsmAnd Trinkwasserquellen auffinden (auch in Deutschland), hat Matthias in einem Post auf seiner Webseite mal zusammengefasst.
Der einzig verbindliche Termin auf unserem Roadtrip war Matthias Arzttermin in Wānaka. Wie im letzten Eintrag beschrieben sind wir immer noch auf der Suche nach einer Erklärung für seine Verdauungsprobleme und hatten daher große Hoffnung für das Gespräch mit dem Gastroenterologen. Da die Klinik in Christchurch uns entweder einen Termin im März 2025 in Christchurch geben konnte oder aber in der Partnerklinik in Wānaka Ende November 2024 nahmen wir natürlich den früheren Termin wahr uns planten die Reise drum herum. Letztendlich hat Matthias ein spezielles Antibiotikum bekommen, was er vor einigen Tagen fertig eingenommen hat und nun schauen wir, wie es sich entwickelt. Sein Energielevel hat sich aufjeden Fall verbessert, was durch seine Wanderlust bemerkbar ist. Glücklicherweise ist Wānaka eines der schönsten Orte auf der Südinsel und früher oder später wären wir sowieso hergekommen. Auf dem Weg dorthin stoppten wir in Peel Forest, Lake Tekapo und dem Mt. Cook Nationalpark.
Lake Tekapo ist berühmt für seine malerische Landschaft, die vorallem im November durch das Blühen der Lupinen bekannt ist. Hier hatten wir gutes Timing, denn wir kamen genau rechtzeitig, um diese zu erleben!
Im Mount Cook Nationalpark haben wir eine der schönsten Tageswanderungen bisher gemacht – den Hooker Valley Track, der mit Hängebrücken und Boardwalks zu einem Gletschersee führt. Hier flog uns aber auch das Surfboard um die Ohren und wir reisten aufgrund des schlechten Wetters schneller weiter, als gedacht.
Der Aufenthalt in Wānaka beschränkte sich vorerst auf den Arzttermin und wir fuhren weiter nach Dunedin, da wir ohnehin ein zweites Mal planten herzukommen. Dunedin ist nach Christchurch die größte Stadt auf der Südinsel und wir waren positiv überrascht, wie schön es doch war. Matthias behauptet, dass der Farmersmarkt hier der tollsten Markt ist, auf dem er jemals war (ich stimme zu) und wir fuhren auf die Spitze der Halbinsel bei Dunedin, um die kleinsten Pinguine der Welt zu sehen. Mit einer geführten Tour sahen wir knapp 250 Blue Penguins zu, wie sie nach Einbruch der Dunkelheit ihren Weg zurück an den Strand und zu ihren Nestern fanden. Das Gebiet ist seit einigen Jahren nur noch über geführte Touren erreichbar und die Pinguin Population konnte deutlich wachsen. Ein Positivbeispiel für Ökotourismus (mehr Infos hier). Außerdem konnte ich in Dunedin nochmal surfen gehen; die Gegend wird aufgrund der zahlreichen Surfstrände auch “Cold Water Bali” genannt. Leider waren die Bedingungen nicht so gut und Windsurfer hatten deutlich mehr Spaß.
Von der Ostküste durchquerten wir den Süden einmal bis nach Te Anau im Westen. Te Anau und das Fjordland mit Milford Sound ist die Heimat von gleich drei Great Walks - Neuseelands beliebtesten Wanderrouten (insgesamt gibt es davon neun). Wir planten, die erste Etappe des Kepler Tracks zu laufen und durch Zufall war an dem Tag auch ein Ultramarathon auf genau der Strecke. Während wir den Berg hochliefen kamen uns hundert Läufer entgegen, und jeden einzelnen von ihnen feuerten wir mit klappernden Wanderstöcken und Zurufen an. Zu sehen, dass Menschen die 60km in wenigen Stunden laufen, wofür eigentlich 4 Tage angesetzt sind, war für Matthias und mich ziemlich inspirierend und auch motivierend!
Te Anau ist außerdem der Anfangs- und Endpunkt für alle, die nach Milford Sound wollen. Der einzigartige Ort liegt am Ende einer 2 stündigen Autofahrt, nur eine Straße führt dort hin und auch wieder zurück. Man kann die unglaubliche Gegend in Milford Sound entweder von einem Boot aus entdecken, oder aber vom Kajak aus! Wir entschlossen uns für letzteres und konnten einen kleinen Teil des besonderen Ortes aus ganzer Nähe betrachten - eines unserer Highlights bis jetzt, auch wenn es fast durchgehend geregnet hat. Besonders gefallen hat mir die Geschichte, wie dieser magische Ort aus Sicht der Māori entstanden ist. Diese hat uns unsere Tourleiterin erzählt, während wir mit unseren Booten ein Raft bildeten und eng beieinandersaßen. Hier könnt ihr die Geschichte nachlesen. Es ist nicht einfach, Milford Sound zu beschreiben. Die meterhohen steilen Felswände und hunderte von Wasserfällen, Vögel, Pinguine, Delfine, Bäume und Pflanzen die es nur dort gibt.
Leider sind wir nach der Kajakfahrt auch direkt wieder zurück nach Te Anau gefahren. In Milford Sound direkt gibt es nur eine Unterkunft, und die war seit Wochen ausgebucht. Und wenn man erstmal nass ist wird man im Van auch nicht wirklich trocken, sodass wir den langen, steilen Weg am Stück zurück gefahren sind. Die Straßen sind teilweise wirklich abenteuerlich: Aus dem Nichts ein Schlagloch, eine Delle, Schotter. Bangen, ob wir es im zweiten Gang den Berg hochschaffen. Wir versuchen, nicht jeden Tag zu fahren und wenn dann nicht länger als 2-3h am Stück. Weder Matthias noch ich genießen das Autofahren zu sehr und wir sind sehr froh, uns so viel Zeit nehmen zu können. Autofahrten werden häufig von dem Hörspiel der Herr der Ringe begleitet, was durch die Szenerie noch lebendiger erschien. Das erste Buch haben wir schon fertig und schauen derzeit den Film dazu, in dem viele Szenen ja hier in Neuseeland gedreht wurden!
Zuletzt besuchten wir noch Queenstown, die wohl bekannteste Stadt für Outdoor Enthusiasten! Von Bungee-Jumping über Jetski fahren und Helikopter fliegen kann man hier wirklich alles erleben. Die Stadt liegt zwischen riesigen Seen umgeben von hohen Bergen, die zurecht “the remarkables” heißen. Wir blieben nur eine Nacht, Queenstown ist wirklich unglaublich teuer und so busy! Was ich mir nicht entgehen ließ: den beliebtesten Burger der Stadt, für den man gerne mal 15min ansteht und wo anscheinend immer eine Schlange ist! Zurecht, es war wirklich lecker!
Von Queenstown waren es dann nochmal 1,5h bis wir zurück in Wānaka waren und den Kreis sozusagen geschlossen haben. Ein Must Do stand hier noch auf unserer Liste: Roys Peak- eine beliebte Wanderung für den Sonnenaufgang. Um 2 Uhr klingelte der Wecker, um 3 Uhr wurden die Kopflampen angeknipst. 3h, 7km aber 1200 Höhenmeter. Irgendwie war ich froh, im Dunkeln nicht gesehen zu haben, wo ich eigentlich hinmuss. Lediglich die Lichterkette an Menschen, die uns im Dunkeln schon einige Meter voraus waren, zeigten den Weg. Um kurz vor 6 ging die Sonne auf und wir wurden mit einer der spektakulärsten Aussichten belohnt, die wir bis jetzt in Neuseeland hatten. Ein besonderer Abschluss für diesen wunderbaren Roadtrip.
Heute haben wir uns einen Pausentag gegönnt, sind in das “Lieblingscafe” neben unserem Campingplatz gegangen (Matthias für den Kaffee, ich für di vermutlich leckersten Pain au Chocolate ausserhalb Frankreichs). Nach jeglicher Hin und Herüberlegung entschlossen wir uns, morgen über den gleichen Weg nach Christchurch zurückfahren. So wenig Höhenmeter wie möglich, so direkt wie möglich. Somit haben wir genug Zeit, in Christchurch anzukommen und notwendige Dinge zu erledigen. Ausserdem können wir uns auf die Ankunft von Tobi und Selma freuen, denn damit fängt auch der zweite Teil unserer Reise an: gemeinsam wollen wir den Great Walk im Abel Tasman Nationalpark machen und mit der Fähre auf die Nordinsel übersetzen. Mehr geplant haben wir, mal wieder, noch nicht. Doch bisher sind wir damit auch sehr gut gefahren 😊 Euch eine wunderschöne Adventszeit und gemütliche Weihnachtstage, wir melden uns spätestens im neuen Jahr (in welches wir übrigens zu allererst starten!!) wieder.
Matthias und Maike